Wenn externe Coaches sowohl Mitarbeitende als auch deren Vorgesetzte bis hin zur Geschäftsführung begleiten, stellt sich schnell die Frage: Wie soll das gehen, ohne in Loyalitätskonflikte zu geraten oder ungewollt parteiisch zu wirken?
Die Antwort liegt in einer klaren Haltung, einer professionellen Rollentrennung und einer offenen Kommunikation über Rahmen und Spielregeln mit allen Beteiligten. Coaching ist kein Mittel zur Einflussnahme, sondern ein Raum zur Selbstreflexion und Entwicklung. Wer im Business Kontext coachend tätig ist, begleitet Menschen in ihren jeweiligen Rollen – unabhängig von Hierarchie oder Machtposition. Entscheidend ist, dass jede Coachingbeziehung für sich steht. Es gibt keine Rückmeldeschleifen zwischen den Coachings, keine Weitergabe von Informationen und kein verdecktes Mandat, die Organisation zu steuern. Der Coach ist niemandes Vertrauter im klassischen Sinne, sondern Prozessbegleiterin für alle Beteiligten – und damit loyal zum Entwicklungsanliegen des Coachees, nicht zu einer bestimmten Person.
Klare Vereinbarungen treffen
Wichtig ist eine saubere Auftragsklärung. Wer wird wann wozu gecoacht? Gibt es einen konkreten Anlass oder ein übergeordnetes Ziel wie die Entwicklung von Führungskultur? Was wissen die Beteiligten voneinander? Je transparenter diese Fragen beantwortet werden, desto stabiler wird das Vertrauen ins Coaching – auf allen Ebenen.
Praxisfall – vier Ebenen coachen
In einer Organisation konnten vier Ebenen gecoacht werden und das Team der untersten Führungsebene dazu. Zuvor wurde der Chef-Chef und davor die oberste Führungsstufe, die General Managerin gecoacht und trainiert. Wichtig war, niemandem in der Hierarchie etwas berichten zu müssen. So konnte sich der Coach auf die jeweilige Ebene und die Coachees konzentrieren. Immer hatte der Coach zwei Dinge im Kopf, nämlich im Sinne des Unternehmens, im Rahmen seiner Unternehmenswerte und Führungsprinzipien, und gleichzeitig im Interesse der jeweiligen Coachees zu arbeiten. So konnte es durchaus sein, dass auch darüber gesprochen wurde, ob die Mitarbeiterin bleiben oder gehen soll, wieder Bewerbung Stand ist etc. Themen also, die nicht unbedingt andere zu wissen brauchen. Wichtig war ein absolut vertraulicher Rahmen. Dazu gehörte auch, auf den direkten Kontakt zu den verschiedenen Ebenen eher zu verzichten – was jedoch kein Muss ist, solange die Grenzen und Spielregeln von allen Seiten gehalten werden. In dieser Form findet gleichzeitig Organisationscoaching statt, da durch die Unterstützung dieser Personen und Rollen die gesamte Organisation vorangebracht wird.
In Organisationen, die mehrere Hierarchieebenen gleichzeitig coachen lassen, kann es sinnvoll sein, in begleitenden Gesprächen oder Workshops gemeinsam zu reflektieren, was das Coaching im Gesamtsystem anstößt. Dabei geht es nicht um Inhalte, sondern um Wirkungen: Was verändert sich im Miteinander? Welche Bewegungen entstehen? Was braucht es, damit Coaching nicht isoliert bleibt, sondern zur Entwicklungskultur beiträgt?
Aber auch dies ist kein Muss. So kann es besser sein, darauf zu verzichten, damit die einzelnen Coaching Formate mit den verschiedenen Führungsebenen auch voneinander abgegrenzt und geschützt verlaufen können.
Coaching über Hierarchiegrenzen hinweg ist anspruchsvoll – aber möglich. Es erfordert Klarheit, Erfahrung, diplomatisches Geschick und ein feines Gespür für Systemdynamiken. Und es lohnt sich. Denn oft entstehen gerade dort die wirksamsten Impulse für echte Veränderung.