Dr. Hüseyin Özdemir hält Vortrag
Themen-Lab: Unterschiedliche Praxisfelder als Ausdruck gesellschaftlicher Bedeutung
Organisationsentwicklung (OE) mit ihren spezifischen Wertevorstellungen, Vorgehensweisen und Instrumen-ten, ist eine signifikant wichtige Aufgabenkomponente von Führung (vgl. Weitzel-Polzer 2001, S. 117; Probst 1993 nach Siebert 2005, S. 53). Die bewusste, systematische OE gibt Unternehmen einen nicht zu unterschät-zenden Fundus an Werkzeugen für die Entwicklung und das Fördern organisatorischen Lernens an die Hand. Hinzu kommt, dass wirtschaftlicher Druck und fortschreitende Globalisierung des ökonomischen Handelns (vgl. Rothlauf 2010, S. 31) vermehrt die umfassende Beschäftigung mit der OE im internationalen Kontext er-fordern (vgl. Xiao Juan Ma 2007, S. 13).
Aus diesem Verständnis heraus gilt es, die Führungspersonen in dieser OE-Aufgabe durch Coaching zu unter-stützen. Die hier angesetzte, und in den Ländern China, USA; Polen und der Türkei erprobte Methode, ist die des Coachings. Die Hauptfallstudie konzentriert sich auf OE und Coaching in China. Die Erkenntnisse daraus werden in den Ländern USA, Polen und der Türkei angewendet. Die Coachingarbeit ist eingebettet in zum Teil sehr schwierige gesellschaftliche Prozesse. Genannt werden kann hier die Coachingarbeit in einem kommunistischen Land wie China, die Coachingarbeit in den USA mit ihrer Rassenherausforderung, die Coachingarbeit in Polen als einem postkommunistischen Land und in der Türkei, als ein sich in einer schwierigen gesellschaftlichen Entwicklung befindendem Land.
Mithilfe des Coachings wird der Coachee in die Lage versetzt, auch komplexe persönliche Situationen zu be-wältigen (Bentner 2007, S. 29). Komplex ist für die Führungsperson der OE-Prozess. Es geht beim Coaching um die Bewältigung von Komplexität, um Lernen und um das Erreichen von Zielen, was in Anlehnung an alle OE-Prozesse Auswirkungen auf die gesamte Organisation oder einzelne Organisationsmitglieder haben kann. Coaching ist Teil des Organisationsentwicklungsinstrumentariums (vgl. Zielke et al. 2007, S. 94). Entlang der oben geschilderten Systematisierung setzt eine so verstandene OE auf der Ebene der Person an. Im immanen-ten Verständnis von OE zeitigen Einwirkungen auf der Personenebene immer auch Konsequenzen auf der Or-ganisationsebene (vgl. ebenda, S. 91): Verhaltensänderung auf der Personenebene hat eine Ausstrahlung auf die ganze Organisation zur Folge.
Neben dem `klassischen´ Coaching `Off the Job´, das während ausdrücklich vereinbarter, vom Arbeitsplatz unabhängiger Coachingsitzungen stattfindet, existieren zudem die organisationsnäheren Coachingformen `Ne-ar the Job´ bzw. `On the Job´ (Tonhäuser 2009, S. 330). Bei diesen Formen ebenfalls individualisierter Coa-chingprozesse, die jedoch – entgegen der Ersteren – unmittelbar am Arbeitsplatz und bei der Arbeit stattfin-den, sind direktere, positiv auf die Organisation zurückwirkende Transfereffekte zu erwarten (vgl. ebenda; Becker 2007, S. 172, nach Tonhäuser 2009, S. 261).
Der Beitrag geht der Frage nach, `wie sich eine im Westen entwickelte Coaching und Organisationsentwicklungsarbeit in China darstellt, und auf andere Länder rückübertragen lässt´. Für die empirische Forschung im Hinblick auf China wurde die Einzelfallstudie als Forschungsmethode gewählt. Vom März 2004 bis März 2009 konnten vor Ort in Wuxi in 110 Tagen (mit 21 Anreisen aus Deutschland) umfassende Daten (insb. durch 273 Interviews und Beobachtungen) aus den innersten Kreisen des untersuchten Unternehmens aufge-nommen werden. Nach Abschluss des OE-Prozesses in China kamen 27 Kontrollinterviews, davon ein Grup-peninterview, an denen 36 Personen beteiligt waren, hinzu.
Dieser Einzelfallstudie folgten weitere Coaching und OE-Praxiseinsätze in den USA, in Polen und in der Tür-kei. Die Organisationsentwicklung wurde mithilfe des Coachings der Führungspersonen aus der Perspektive des Unternehmens als soziotechnisches System (Trist/Bamforth 1951) sowohl mit dem Fokus auf das soziale Subsystem als auch im Hinblick auf das vom Unternehmen fokussierte technische Subsystem gesteuert. In dieser Fallstudie stellte der angewandte OE-Beratungs- und Coachingansatz, der als Grundlage für die Aktionsforschung auf Kurt Lewin zurückgreift (Kaune 2004) und damit den Forscher in den OE-Prozess konkret mit hinein nimmt und einbezieht (Lewin 1953), eine grundlegende Erkenntnisquelle dar. Das OE-Programm wurde durch die bestehende Führungsstruktur gesteuert und getragen. Das Coaching konzentrierte sich aus diesem Grunde auf die Führungspersonen und auf die Führungsteams.
Der Beitrag gibt Einblicke in komplexe, schwierige, schmerzhafte, jedoch immer auch spannende organisato-rische sowie persönliche Entwicklungsprozesse in fremden Kulturen mit gesellschaftlichen Herausforderun-gen.
Dr. Hüseyin Özdemir, Geschäftsführer und Executive Coach, oezpa GmbH – Akademie und Consulting. Gastprofessor & Lehrbeauf-tragter an verschiedenen Hochschulen/Akademien (z. B. Indian Institute of Management Ahmedabad/Indien; Fresenius Hochschule; ESMT/Schloss Gracht; Tavistock of Human Relations, London). Senior Coach, `DBVC´. Senior Coach und Kooperationspartner im `ICF´. Direktor der `International Leadership Academy´. Ehem. Executive Coach im Stab für “Führungsorganisation” des Vorstands-vorsitzenden der Schering AG. Promotion in internationaler Organisationsentwicklung und Coaching. Weiterbildungsleiter der berufs-begleitenden Weiterbildungen: „Coaching“ und „Organisationsentwicklung/Change Management“ am oezpa Institut. Institut. Mitglied `SIETAR´.
Literatur
Weitzel-Polzer, E. (2001): Erfolgreiche Unternehmensführung. Konzepte, Strategien, Methoden: Vincenz Verlag, Hannover.
Probst, G.J.B. (1993): Organisation – Strukturen, Lenkungsinstanzen, Entwicklungsperspektiven: Verlag Moderne Industrie, Landsberg am Lech.
Siebert, J. (2005): Führungssysteme zwischen Stabilität und Wandel. Ein systematischer Ansatz zum Management der Führung: DUV, Gabler Edition Wissenschaft, Wiesbaden.
Rothlauf, J. (2010): Total Quality Management in Theorie und Praxis – Zum ganzheitlichen Unternehmensverständnis. 3. Aufla-ge: Oldenbourg Verlag, München.
Xiao Juan Ma (2007): Personalführung in China: Motivationsinstrumente und Anreize: Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.
Bentner, A. (2007): Systemisch-Lösungsorientierte Beratung in der Praxis: Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen.
Zielke, C./Turck, D/Faeber, Y. (2007): Coaching als Instrument der Personal- und Organisationsentwicklung. Kohlhammer.
Tonhäuser, C. (2009): Implementierung von Coaching als Instrument der Personalentwicklung in deutschen Großunternehmen; Dissertation: Peter Lang Verlag, Frankfurt.
Trist, E./Bamforth, K. (1951): Some social and psychological consequences of the long wall method of coal getting. Human Re-lations, 4, S. 3-38.
Kaune, A. (Hg.) (2004): Organisationsentwicklung – ein Konzept zur mitarbeiterorientierten Gestaltung von Veränderungspro-zessen, in: Change Management mit Organisationsentwicklung. Veränderungen erfolgreich durchsetzen: Erich Schmidt Ver-lag, Berlin.
Lewin, K. (1953): Feldtheorie. In: Graumann, C.F. (Hg.) (1982): Kurt-Lewin-Werksausgabe, Band 4: Huber. Bern, Stuttgart, Toronto.