„Die Autoren Hüseyin Özdemir und Barbara Lagler Özdemir, die beide über langjährige Erfahrung als Berater, Coach und Trainer verfügen, stellen mit diesem Buch ihr Verständnis für gelingendes Coaching in Organisationen vor.

Interessant ist dabei der konzeptionelle Unterschied zu personenorientiertem Coaching in Organisationen. Das Autorenpaar schlägt nämlich eine Doppelperspektive vor und nennt diese „Organisationscoaching“ (OC): Einerseits geht es um das Wohlergehen der Organisation, was sich positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter auswirkt. Andererseits geht es um das Coaching von Rollenträgern, wodurch sich nachhaltige Wirkung auf die Organisation ergibt.

OC ist also eine Weise der Mehrebenenberatung. Die Autoren schreiben: „Es gibt nicht nur das eine Setting, wonach sich die Organisationscoaches wie beim Einzelcoaching verabreden, die Tür schließen, sich gegenübersetzen und das Coaching-Gespräch führen.“ (S. 20) Vielmehr ist die Beratungsarchitektur auf die ganze Organisation bezogen und nutzt auch informelle Räume – was angesichts der Funktionalisierung selbst der Pausen kritisch angefragt sein muss. Reicht es, das Thema Vertraulichkeit zu thematisieren (S. 18ff sowie 39f)?

Die Stärke der OC-Perspektive ist die Anerkennung, dass eine Organisation nicht ein System ist, sondern eine Vielzahl von Systemen. Die methodische Verzahnung und Integration verschiedener Ansätze (u.a. Organisationsentwicklung, Prozessberatung, Aktionsforschung, Gruppenarbeit) ist folgerichtig.

Die Differenzierung von Organisationen in ein fachlich-technisches Subsystem und ein soziales Subsystem (S. 55ff.) leuchtet indes nicht ganz ein. Hier sei angemerkt, dass die Komplexität von Kommunikations- und die Hochwirksamkeit von Machtprozessen zwischen formaler und informeller Seite damit geradezu „wegdifferenziert“ wird. Andere Ansätze (z.B. Stefan Kühl) überzeugen da mehr. Auch die Betrachtung menschlicher Emotionen in der Organisationsdynamik wird, bei aller Wertschätzung des Menschen („positives Menschenbild“, S. 68), etwas kurz abgetan. Allein auf ein Containern und das Erfahrungswachstum der Organisation mit diesen Dingen zu setzen, reicht z.B. in Krisen nicht.

Narrative Sequenzen aus der eigenen Arbeit illustrieren den konzeptionellen Teil (S. 15–78). Daran kann man für sich anknüpfen. Im Praxisteil (S. 79–189) werden zum einen verschiedene OC-Aufträge (z.B. Strukturprozess, Konfliktberatung, Führungsworkshop) dargestellt. Zum anderen werden Werkzeuge, Formate und Methoden vorgestellt. Diese greifen mitunter auf die Praxisbeispiele zurück, so dass mehr als lexikalisches Wissen angeboten wird. Positiv hervorzuheben ist, dass stets die Aufgabe als Coach beschrieben wird. So werden Unterschiede zum Trainer und Moderator deutlich.

Fazit: Insgesamt erscheint das OC wie ein Schweizer Taschenmesser: Alles dran, was man im Gelände braucht. Und es stimmt: Organisationen zu coachen, braucht verschiedene Zugänge. Die Autoren vernachlässigen jedoch, ihr Konzept genug zu fundieren. Mit dieser Vorsicht dennoch eine nützliche Lektüre für die Welt der Beratung in Organisationen.“

Jan-Christoph Horn

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